Equilibrium!? Sekundär-Rassismus
Dunkle Schatten liegen über unserer Vergangenheit. Unzählige Beispiele könnte ich nennen, für grauenhafte Taten geprägt durch Unterdrückung und Vorurteile. Dies dürfte aber nicht notwendig sein, da ein jeder ganz genau weiss, von welch düsteren Kapiteln unserer Geschichte ich spreche.
Die Frage, die ich mir und Euch stellen möchte, ist vielmehr wie die Situation heute aussieht. Gibt es immernoch Fälle von Rassismus und der Unterdrückung der Frauen? Und was haben wir aus der Vergangenheit gelernt?
Klar, werden wohl die meisten Leute entgegnen. Denn noch immer hört man die Berichte, dass einige Skins einen wehrlosen Afrikaner verprügelt haben, oder einer Frau aufgrund ihres Geschlechtes eine Chefposition veweigert wurde. Diese Einzelfälle sind alles andere als zu verharmlosen und ein scheussliches Beispiel dafür, zu welch grauenvollen Taten Menschen fähig sein können.
Diese Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes oder der Ethnie ist nicht bloss geschmacklos, sondern zeugt auch von einer extrem beschränkten Dekensweise. Sollten wir nicht alle gleich sein? Sind wir am Ende nicht alle Menschen, unabhängig von unserer Herkunft und unserer äusserlichen Merkmale?
Es werden mir wohl die meisten von Euch zustimmen und doch behaupte ich, dass in einem Jeden von uns, durch eben genau diese Überpräsenz des Themas Diskriminierung im weitesten Sinne, selbst ein Rassist und Sexist steckt – Wenn auch ungewollt.
Mein Ziel ist es nicht, die Leser dieses Blogs zu beleidigen und ich gehe davon aus, dass man letztere Behauptung durchaus aus eine Art Beleidigung auffassen könnte. Ich ein Rassist? Ich Frauenfeindlich? – werden sich wohl die meisten von Euch fragen. Es geht mir vielmehr darum, aufzuzeigen, dass Rassismus viel vielfälltiger sein kann, als man sich vielleicht vorstellen könnte und dass unser Alltag von rassistischen Handlungen geprägt ist. Ich werde versuchen, Euch meine These anhand einiger Beispiele zu veranschaulichen.
Sehen wir uns zuerst mal an, was in uns vorgeht, wenn wir solchen sogenannten Minderheiten begegnen? Kann es nicht sein, dass wir gerade aufgrund der sehr ausgeprägten Vergangenheitsbewältigung übersensibilisiert sind und völlig anders mit diesen Minderheiten umgehen? Ich möchte damit nicht sagen, dass Vergangenheitsbewältigung an sich etwas schlechtes ist, sondern vielmehr die Art und Weise dieser Aufarbeitung in Frage stellen.
Das wohl populärste und meines Erachtens auch beste Beispiel der übertriebenen Vergangenheitsbewältigung, ist bei unseren nördlichen Nachbarn zu finden. Klar ist es eine absolute Notwendigkeit, dass jene schrecklichen Gräueltaten des dritten Reiches nie in Vergessenheit geraten; Auch zum Schutz, dass nie wieder etwas derartiges passieren darf. Dennoch stelle ich mir die Frage, ob es wirklich angebracht ist, als Deutscher noch heute eine derart demütige Haltung bezüglich des Nationalstolzes einzunehmen. Deutschland ist meiner Meinung nach ein grossartiges Land, das neben zwei Weltkriegen und dem Holocaust, auf den es leider nur zu oft reduziert wird, auch viele positive Dinge hervorgebracht hat. Wenn ich aber versuche mich daran zurück zu erinnern, wann ich zum letzten Mal einen Deutschen in einem Deutschland T-Shirt (Vom Fussball mal abgesehen) und wo ich schon je eine deutsche Flagge auf privatem Grund gesehen habe, dann kann ich nach einer längeren Bedenkzeit, meine Ergebnisse an einer Hand abzählen.
Nun wie kommt das? Weshalb ist eine deutsche Generation, die absolut nichts mit der NSDAP und dem dritten Reich zu tun hat immernoch so unsicher, wenn es um das eigene Land geht? Ganz einfach: Weil er bei jeder kleinsten Handlung, die auch nur an einen Hauch von Nationalstolz ernnern könnte, gleich damit rechnen muss, dass sich jemand 64(!) Jahre zurück versetzt fühlt und ihn als Rassisten oder Nazi bezeichnet. Hat der 24 jährige Fritz kein Recht darauf, sich über die tolle Nachkriegs-Entwicklung Deutschlands zu freuen und stolz auf sein Land zu sein? Was genau hat Fritz mit dem Nazi-Regime zu tun?
Sind diese Vorurteile gegenüber Fritz nicht genau eine Art von Diskriminierung, die nur zu stark an Rassismus erinnern? Ein Deutscher darf keinen Nationalstolz entwickeln weil er Deutscher ist. Ein Nigerianer darf das! Ein US Amerikaner darf das auch! Sogar ein Israeli, dessen Land, in sagen wir mal höchst fragwürdige politische Aktivitäten verwickelt ist, darf das! Der Deutsche darf es aber nicht! Rassismus?
Bevor wir an dieser Stelle anknüpfen würde ich mir gerne mal die Definition von Rassismus ansehen. Ich habe nur zu oft Stimmen vernommen, die wenn sie von Rassismus sprechen, die Diskriminierung von Minderheiten meinen. Rassismus beschränkt sich aber nicht auf die Diskriminierung von Minderheiten:
„Rassismus bezeichnet die Diskriminierung anderer Menschen aufgrund körperlicher Merkmale oder ethnischer Herkunft.“
Dies ist ein kleiner, aber entscheidender Unterschied. Meiner Meinung nach haben wir uns nämlich schon längst vom offensichtlichen Rassismus entfernt und sind nun in der Phase des Sekundär-Rassismus angelangt. Eine Phase in der die ehemaligen Unterdrücker von den ehemals Unterdrückten, diskriminiert werden.
Ich habe mich beispielsweise gerade gestern Abend in einer Diskothek dabei erwischt, wie sich meine Wut und mein Wunsch den dreisten Drängler, der mich einfach so weggeschupst hat, anzubrüllen und ihn zu fragen was zur Hölle er sich dabei gedacht hat, plötzlich in ein verlegen-schleimiges Grinsen und den Ausdruck purer Demut, in Form eines Handschlages umgewandelt hat, als ich gesehen habe, dass diese Person eine dunkle Hautfarbe hatte. Vor lauter Angst, dass ich etwas falsches sagen könnte und mir diese Aussage oder meine Reaktion als Rassismus ausgelegt werden könnte, habe ich also völlig anders reagiert, als ich das mit einem Menschen einer anderen Herkunft getan hätte… Irgendwie falsch oder? Ich bin aber überzeugt, dass ich nicht der Einzige bin, der in derartigen Situationen anders reagiert, je nachdem welche Hautfarbe sein gegenüber hat, ohne dabei aber offensichtlich rassistisch zu sein. Die Möglichkeit, dass das Gegenüber die Rassisten-Karte ausspielen könnte, hängt wie ein drohender Schatten über uns. Niemand möchte ein Rassist sein. Jeder gibt sich Mühe, diese sogenanten Minderheiten speziell gut zu behandeln und wird genau dadurch wieder zu einem Rassisten – zu einem Sekundär-Rassisten, der mit seinem ungleichen Verhalten all Jene diskriminiert, die nicht dieser bevorzugten Minderheit angehören.
Ich möchte an dieser Stelle einige Beispiele auflisten, die von uns nicht als Rassismus wahrgenommen werden, in Wirklichkeit aber Rassismus in seiner purtsen Form sind:
1. Bravo Black Hits
Seit 1999 bringt Bravo nebst seinem gewöhnlichen Hit Sampler Bravo Hits auch jährlich den Sampler „Bravo Black Hits“ auf den Markt. Nun sind auf diesem Album zwar auch weisse Artists zu finden, der Name Black Hits, der auf die Black Music zurückzuführen ist, zeigt aber ganz klar auf, dass diese Artists lediglich eine Gästerolle einnehmen, die sich als Weisse, in ein von Schwarzen geprägtes Musikgenre begeben (Ich sage übrigens bewusst schwarz und nicht farbig, da ich letzteres völlig schwachsinnig finde. Schwarz ist für mich keine Diskriminierung und davon abgesehen „Weisse“ sind auch nicht weiss). Klar Hip Hop hat seine Wurzeln eindeutig in der Afro-Amerikanischen Welt, dennoch würde wohl kaum einer auf die Idee kommen Pop oder Rock als White Music zu bezeichnen. Ich glaube man kann sich in etwa vorstellen, was ein Sampler mit dem Titel „Bravo White Hits“, politisch gesehen auslösen würde. Ist es nicht etwas scheinheilig, Gleichheit zu predigen, dann aber wieder solch lächerliche Unterschiede hervorzuheben und sogar bei der Musik, die uns eigentlich alle verbinden sollte, künstliche Grenzen zu setzen?
2. Party nur mit Ausländerausweis
Eines meiner Lieblingsbeispiele hat sich vor einigen Jahren in Basel, CH abgespielt. Da stand an den Eingangstoren einer Diskothek doch tatsächlich „Einlass nur mit ausländischem Pass / ausländischem Personalausweis“. Ich habe ein paar Monate darauf nochmals ein ähnliches Phänomen wahrgenommen. Diesmal gewährte man den Einheimischen zwar Einlass, kassierte von Ihnen aber ein vielfaches des eigentlichen Eintrittspreises: „Vergünstigter Eintritt mit ausländischem Pass / ausländischem Personalauseis“, stand an der Tür und obwohl mich dies nicht stören müsste, da ich nebst meiner schweizer ID auch einen deutschen Pass besitze, drehte sich mir bei diesem Satz der Magen um. Das ist Rassismus und jeder, der das nicht wahrhaben will, der soll sich mal vorstellen welch ein Skandal dieser Satz ausgelöst hätte, wenn man statt den Einheimischen, den Ausländern den Einlass verweigert hätte.
3. Amerikanische Bewerbungsverfahren
Das etwas andere Schulsystem in den USA zwingt die Schüler x Bewerbungen zu schreiben und entsprechend gut Noten zu sammeln, so dass sich die Türen ihres Traumcolleges für sie öffnen werden. Ein amerikanischer Schüler sammelt also möglichst viele A+ (1en in Deutschland, 6er in der Schweiz) und sogenannte Community Service Hours, die seine Zivil Courage und seine Einsatzfreudigkeit in Zahlen auszudrücken versuchen. Wikipedia meint dazu folgendes:
„Community service is also used by high school seniors wishing to enter college. Though technically not a requirement, most colleges generally use community service as an unofficial college requirement for acceptance.“
Nun nehmen wir mal 2 Schüler, der eine schwarz der andere weiss. Beide haben einen vollkommen gleichwertigen High School Abschluss mit Bestnoten und deutlich mehr als die erforderliche Anzahl an Commnity Service Hours. Sie schreiben die identische Bewerbung und tauschen nur das Foto und die Personalien aus. Wer wird wohl eher aufgenommen werden? Ganz einfach: Der Schwarze! Und dies auch aus einem ganz plausiblen Grund. Die amerikanische Schulen sind verpflichtet eine bestimmte Mindestanzahl an Schülern, einer bestimmten ethnischen Minderheit aufzunehmen. Diese ursprünglich gut gemeinte anti-rassistische Massnahme, resultiert aber meiner Meinung nach genau in dem, was sie eigentlich vermeiden sollte: In Rassimus.
Ist es denn in Ordnung, dass ein Schwarzer bessere Chancen erhält, das College seiner Wahl besuchen zu können, nur damit die Schule die Auflagen bezüglich des Minderheiten-Minimums erfüllen kann? Diese Denkensweise zieht sich quer durch das komplette Schulsystem: Stipendien für Minderheiten, Schulclubs für Minderheiten usw. Ich möchte mal sehen, was jenseits des grossen Teiches los wäre, wenn mal jemand ein Stipendium exklusiv für Weisse zur Verfügung stellen würde oder einen Club, bei dem es um die grossartige weisse Rasse geht 🙂 Unvorstellbar oder? Und dies meiner Meinung nach auch zu Recht! Nur verstehe ich dann nicht ganz, weshalb es auf der anderen Seite ok sein sollte, wenn eine Minderheit so etwas tut?
Waren es in der Geschichte denn nicht meist die Minderheiten, die die politische Macht auf sich bündelten – Dies nur so am Rand?
4. Die US Präsidentschaftswahlen 2008
Erstmal vorweg, damit meine Worte nicht verdreht oder falsch ausgelegt werden: Ich bin der Überzeugung, dass die US Amerikaner mit Obama die richtige Wahl getroffen haben und dass er ein enorm charismatischer und guter Präsident ist und sein wird. Wenn ich amerikanischer Staatsbüger wäre und die Wahl gehabt hätte, hätte ich sicherlich auch für Obama gestimmt. Obamas Politik entspricht mir mehr als die seiner Konkurrenten und das sollte bei einer Wahl doch im Vordergrund stehen oder nicht? Seine Hautfarbe sollte dabei wenn überhaupt, lediglich eine sekundäre Rolle spielen.
Ich war begeistert, als ich von Obamas Wahl gehört hatte, zugleich aber auch entsetzt über die Art und Weise wie diese Wahl zu Stande kam. Dazu möchte ich Euch eine Statistik über die Wahlanteile unter den verschiedenen Bevälkerungsgruppen zeigen:
Über 95% aller Afro-Amerikaner, die zur Wahl schritten haben für Obama gestimmt!? Zum Vergleich: Unter der weissen Bevölkerung haben ca. 55% für Obama gestimmt. Ich frage mich einfach ob bei einer Zustimmung von über 95% jemals die Politik zur Debatte stand. Haben sich diese Wähler jemals gefragt, welcher der Kandidaten Ihnen ein besserer Präsident und politisch gesehen sinnvoller wäre oder ging es bei dieser Wahl lediglich um die Hautfarbe. Auch hier kann ich nur wieder den Umkehrschluss ziehen: Was wäre wohl los gewesen, wenn über 95% der weissen Bevölkerung für Mc Cain gestimmt hätten? Ich kann die Schlagzeilen und Strassenschlachten schon vor mir sehen…
Nun ich hoffe, dass Ihr verstanden habt, worum es mir geht. Rassismus ist leider etwas extrem Vielschichtiges und beschränkt sich nicht auf die offensichtlichen Beispiele der vergangenen Jahrhunderte. Rassismus ist ein wesentlich komplexerer Begriff als wir bisher angenommen haben und muss auch dementsprechend diverenziert betrachtet werden. Dasselbe gilt natürich auch für Sexismus. Auch hier hätte ich unzählige Beispiele für Sekundär-Sexismus aufzählen können, sehe nun aber davon ab, da es mir vielmehr darum geht eine Grundeinstellung, nämlich die der differenzierten Betrachtensweise zu vermitteln. Sollte mir dies beim Thema Rassismus gelingen, so kann ein Jeder, diese Erkenntnisse auch auf das Thema Sexismus ableiten.
Unter Equilibrium verstehe ich also nicht nur das Gleichgewicht und die Gleichberechtigung aller Rassen und Geschlechter, sondern eine Gleichheit in allen Belangen, die soweit geht, dass all jene unbedeutenden Unterschiede gar nicht mehr wahrgenomen werden, weder zum Vorteil noch zu Nachteil einer Seite. Es soll schlicht keine Seiten mehr geben.
Zur Zeit befinden wir uns aber leider noch in einem höchst gefährlichen Zwischenstadium, des Sekundär-Rassismus / -Sexismus. Die Menschen haben zwar festgestellt, dass Diskriminierung etwas scheussliches ist und das Pendel auf die andere Seite angestossen, sie haben dabei aber nicht bemerkt, dass dieser Stoss wohl etwas zu heftig ausgefallen ist. Und die Gefahr, welche von einem zu stark in eine Richtung angestossenen Pendel ausgeht, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung…