Flugbericht Samstag: Die Notlandung
Tja, das Wetter scheint ja vielversprechend zu sein: Sonne und warme Temperaturen… Doch ein Blick auf die Windpfeilkarte lässt die Hoffnung ein wenig sinken: Die Pfeile zeigen nach rechts, also Westwind… Und wo kann man bei Westwind fliegen? Genau, nur an der oberen Wengi, das Fluggebiet mit dem verhassten Landeplatz.
Oben angekommen, legen wir den Schirm aus, sortieren die Leinen, und ein paar Piloten starten auch schon. Doch plötzlich kommt heftiger Seitenwind auf, der auch nach längerem Warten nicht schwächer wurde. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als alles wieder einzupacken und auf einen für uns neuen Startplatz zu zügeln: Schwengimatt.
Das spezielle daran ist die lange Wiese, die zuerst überflogen werden will, bevor es über eine bewaldete Kante raus geht. Wer es nicht schafft, hängt in den Bäumen…
Das sind ja grossartige Neuigkeiten. Nach zwei erfolglosen Versuchen (nein, ich drehte vor den Bäumen ab!!) reicht es mir beim dritten Mal endlich über die Hangkante hinweg. Unter mir: dichter Wald. Und ich sag euch: es ist verdammt unangenehm, fünf Meter über den Bäumen zu schweben und in eine Abwindzone zu geraten. Yves legte beinahe eine Baumlandung hin (1m Abstand!), doch die Götter schenkten ihm in letzter Sekunde Aufwind.
Und als ob der Tag nicht schon genug im Eimer war: Gleich nach meinem kurzen Flug begann die Termik zu wirken, was zur Folge hat, dass ich jetzt unten stehe und den anderen oben beim Segeln in grossen Höhen zuschauen darf! *grmlpfmpf*
Nein, nur wegen einem Pilot fährt sicher nicht ein ganzer Bus rauf… Die Hoffnung sinkt und sinkt. Doch glücklicherweise fahren ein paar Deltapiloten hoch, und es ist noch ein Sitz frei.
Oben angekommen starte ich bei perfektem Wind, und es reicht mir gut über die berüchtigte Kante. Sogleich tragen mich Aufwinde ein wenig höher. An der anderen Seite des Berges kreist der Rest der Gruppe – warum denn nicht dorthin? Das Problem, das mir in diesem Moment nicht bewusst war: Die andere Seite des Berges ist das Lee; eine Abwindzone, oft verbunden mit heftigen Turbulenzen…
Voller Erwartung fliege ich über die Krete, in der Hoffnung, so hoch wie die anderen zu kommen. Doch es geht runter. Unterhalb von mir befindet sich inmitten eines dicht bewaldeten Gebietes ein Bauernhaus, umgeben von Feldern. Da muss doch Thermik sein! Vorsichtig kreise ich über dem Feld. Als ich den Kreis vollende, sehe ich die Krete hoch über mir – das schaffe ich niemals zurück! Scheisse. Das Feld wird immer grösser. Aufwind… Wo ist dieser verdammte Aufwind??! Ich fliege an den Rand des Feldes. Die Leinen ziehen kurz an – doch lockern sich gleich wieder. Es geht runter wie im Fahrstuhl… Keine Chance, hier noch Aufwind zu finden – ich muss hier Notlanden! Sanft setze ich auf dem Gras auf. Scheisse! Was jetzt? Ich beschliesse, mal die Wiese oberhalb genauer zu betrachten, vielleicht lässt es sich von dort aus starten?
Plötzlich ruft jemand aus der Luft: „Hallo Claude!“ – Yves! Er ist mir also die ganze Zeit gefolgt, und nun kreist er fröhlich über dem Bauernhof! „Vergiss es, da kommst du nie mehr hoch, geh landen!“ rufe ich ihm noch zu, doch er hat die Beine bereits ausgestreckt zur Landung.
Nach einer Weile kommt er rüber zu mir. Wir schauen uns an – und fangen lautstark an zu lachen! Lool – was machen wir jetzt? Eine Notlandung… Irgendwie scheisse, aber irgendwie auch geil!
Das Bauernhaus ist verlassen, doch der Bauer kam später zufällig vorbei und liess uns mit seinem Natel telefonieren (Yves hatte wieder mal kein Geld auf seinem…). Nach einem mühsamen Abstieg durch eine Wiese mit hohem Gras (und entsprechend vielen Milben!), Heuschnupfen, Niessanfällen und einem anschliessenden Abstieg durch den Wald ohne Weg gelangten wir auf die Hauptstrasse – müde, durstig, und ziemlich der Überzeugung, etwas aussergewöhnliches geleistet zu haben…
Durstig marschieren wir an der Hauptstrasse entlang, unter praller Sonneneinstrahlung. Und auf einmal sehen wir den Himmel auf Erden: Eine Coop-Tankstelle mit Pronto-Shop! Wir stürmen gleich rein und decken uns mit je zwei eiskalten, erfrischenden Cola-Flaschen ein. Draussen am trinken hupt plötzlich ein Auto – Romy! Der Tag ist gerettet!