Schlüssel zu anderen Dimensionen
Wie ein Münchener Bewusstseinsforscher über eine neue Raumklangtechnik abenteuerlustige Menschen auf andere Bewusstseinsebenen führt
Von Claudia Blumenthal
Der Klangzauber hört sich an wie die Wirklichkeit: Im dreidimensionalen Raum höre ich oben das Zwitschern von exotischen Vögeln, unten das Rauschen eines kleines Baches und selbst der Wind streicht wie in der wahren Natur durch die Blätter der Bäume. Über den 3D-Kopfhörer empfange ich überrascht ein Klangerlebnis als sei ich mitten im Urwald. „Schaffe dir jetzt deine Vision von deiner Landschaft“, weist mich eine sanfte Stimme an.
Obwohl ich es mir in einem völlig abgedunkelten Raum, eingehüllt in eine Decke, auf einer Liege bequem gemacht habe, spüre ich das klare und warme Wasser des Baches über meine nackten Füße fließen. In meiner Vision kreiere ich mir ein leuchtend rotes Mohnfeld, einen saftig-grünen Wald und die strahlendsten Pflanzen, die ich mir nur ausmalen kann. Bald breitet sich ein Farbenmeer um mich herum aus. Vorne fließt der Bach ins Meer. Ich spaziere durch Dünen und fühle mich wie bei meinem letzten Urlaub auf Mallorca.
Regelmäßig schickt der renommierte Bewusstseins- und Hirnforscher Michael Pahl in seinem Blue Liners-Institut Menschen mit Lust auf geistige Abenteuer auf eine außergewöhnliche Reise, die richtig „high“ machen kann.
„HoloSync 3D – Musik“ nennt Pahl seinen sich im Raum frei bewegenden Sound, der sich um den Hörer herumbewegen kann wie ein Wirbelwind. Obwohl ich liege, verliere ich bisweilen den Gleichgewichtssinn und weiß bald nicht mehr, wo oben und unten, links und rechts ist.
Früher versuchten die arabischen Sufis und andere Mystiker durch Drehtänze in ganzheitliche Bewusstseinszustände und außersinnliche Wahrnehmungen zu kommen. Heute also bleibt der spirituell Suchende einfach bequem auf dem Sofa liegen und lässt die Musik um sich herum drehen. Sollte wirklich so einfach zu erreichen sein, was früher einzelnen Heiligen und erleuchteten Yogis erst durch lebenslange spirituelle Disziplin und Askese vorbehalten war?
„Ihr sollt fühlen“, sagt Pahl „dass ihr mehr seid als euer materieller Körper.“ Im Laufe von fünf Tagen führt uns eine CD nach der anderen sanft zu einem Punkt, wo sich das Bewusstsein beinahe wie von selbst vom Körper trennt und durch einen Tunnel in eine Sphäre jenseits von Raum und Zeit gleitet – in ein „holotropes Bewusstseins-Universum“, wie er es bezeichnet.
Weil er von einem „Gedächtnis ohne materielles Substrat“ ausgeht, gilt der 50jährige bei vielen konservativen Wissenschaftlern als Fantast. Zu absurd klingt ihnen die Vorstellung, Normalsterbliche über die Beeinflussung ihrer Gehirnwellentätigkeit in höhere Bewusstseinsebenen zu schicken.
Doch der Bewusstseinsforscher, der sein Verfahren zum Patent angemeldet hat, ist sich nach jahrelangen Forschungen sicher: „Heute ist es möglich, viele Menschen in solche Sphären zu schicken.“ Was Schamanen seit Urzeiten über Meditation, Yoga und stark bewusstseinsverändernde Mittel wie Trommeln, Rasseln, rhythmische Tänze und Gesänge sowie über heilige Zeremonien und psychedelische Pflanzen anstreben, soll jetzt an einem verlängerten Wochenende bei gemütlichem Liegen mit einem computermodulierten Raumklangverfahren im Ruck-Zuck-Verfahren möglich sein: das Andocken an das „Urdenken“, wie es Anthropologen nennen, an das von C.G.Jung postulierte kollektive Unbewusste oder an das vom Anthroposphen Rudolf Steiner als Akasha-Chronik bezeichnete universelle Wissen.
Der fortschrittliche Teil der Hirnforschung kann heute belegen, dass das menschliche Bewusstsein die üblichen Begrenzungen des Körper-Ichs, des Raumes und der linearen Zeit transzendieren kann. Pahl hält es für wahrscheinlich, daß einzelne geniale Menschen wie Leonardo da Vinci, Johannes Kepler, Mozart, Beethoven, Albert Einstein oder Jules Verne von Natur aus in dieses holotrope Bewusstseins-Universum eintauchen und dort gespeichertes Wissen anzapfen konnten. Dort bekamen sie die Inspiration für ihre epochalen Werke in der materiellen Welt.
Der Ausstieg aus dem Körper soll während der CD „Druidentor“ geschehen. Ich reise nach den Anweisungen in eine Höhle, die hoch ist wie eine Kathedrale. Ich sehe einen azurblau schimmernden See, der umgeben ist von tropischen Pflanzen. Während ich am weichen Sandstrand liege, beobachte ich die vielen flackernden Lichtpunkte auf dem glasklaren Wasser, die wie Teelichter auf der Oberfläche schwimmen.
Ein Licht schwebt auf mich zu. Von dem Punkt aus, an dem die Wirbelsäule in den Kopf geht, sehe ich wie das Licht durch den Punkt zwischen den Augenbrauen langsam durch meine Stirn gleitet, sich zu einer Lichtkugel ausweitet und schließlich hell leuchtend das Innere meines Kopfes umfängt. Sanft bewege ich diese magische Kugel, in der nun mein Bewusstsein, mein Denken steckt, nach rechts und nach links und bewege sie dann von meinem Körper weg. Ich spüre Angst, meinen Körper zurückzulassen, der Puls schlägt in einem rasenden Stakkato, ich setze mein etwas anderes Reisevehikel wieder auf meinen Rumpf.
Doch schon beim zweiten Versuch zische ich wie angetrieben von einer Rakete durch die Höhle hinaus nach oben und sehe plötzlich eine tropische Insel unter mir. Neben mir spüre ich zwei geistige Wesen, die mir bei meinem außerirdischen Flug durch einen schnell auf mich zukommenden Tunnel offenkundig beschützend zur Seite stehen wollen.
Es ist ein mystisches Gefühl wie sterben und wiedergeboren werden, loslassen wollen und doch festhalten. Angst und Freude mischen sich zu einem wilden Gefühlscocktail. Irgendwie spüre ich, dass ich auf zwei Ebenen gleichzeitig existiere.
In diesem Zustand befindet sich der materielle Körper nach Tests von Forschern in einer Art Winterschlaf. Der Stoffwechsel reduziert sich radikal und die Körpertemperatur beträgt zwischen 27 und 30 Grad Celsius. Gleichzeitig fliegen die Bewusstseinsreisenden durch einen dunklen Schlauch, an dessen Ende ein helles Licht leuchtet.
Ein solches Gefühl beschrieben viele Menschen, die ein Nahtoderlebnis hatten. US-Schauspielerin Jody Foster wollte wohl diese Erfahrung einer Bewusstseinsreise in ihrem weltweit erfolgreichen Hollywood-Film „Contact“ darstellen. Als Hauptdarstellerin existiert sie auf zwei Ebenen: Drei Sekunden auf der Erde, in denen ihr Raumschiff beim einem Startversuch ins All abstürzt, werden im Bewusstsein der Heldin zu 18 Stunden. In dieser Zeit erkundet sie andere Realitäten auf dem Sternsystem Vega und nimmt intensiven Kontakt zu außerirdischen Wesen auf.
Für Pahl sind diese parallel existierenden Wahrnehmungsebenen alles andere als Science-fiction: „Das Universum ist wirklich in jedem von uns, es spiegelt sich im Gehirn“. Seiner Ansicht nach kann das menschliche Gehirn viel mehr leisten als nur den Alltag bewältigen und zwei und zwei zusammenzählen.
Mit dieser Meinung steht er nicht allein: Die Forschung hat längst herausgefunden, dass der Mensch maximal fünf bis zehn Prozent seines Hirnpotenzials nutzt. Die meisten Erdenbürger leben demnach wie ein Individuum, das es sich angewöhnt hat, anstelle des ganzen Körpers nur den kleinen Finger zu bewegen.
Die neue 3D-Raumklangtechnik verspricht eine Erweiterung der brachliegenden Ressourcen: So soll mit bestimmten Tonstrukturen und Schwingungsfolgen die Trägerfrequenz des Gehirns von dessen Alltagsfrequenz (14 – 30 Hertz) bis auf ein Hertz heruntergefahren werden können. Diesen Zustand nennt die Forschung den Delta-Bereich, der mittels eines EEG beim Tiefschlaf und bei außersinnlichen Wahrnehmungen gemessen wird. Bei der Meditation oder bei Traumzuständen vibriert das Gehirn im Theta-Bereich (3,5-7 Hz), bei der entspannten Konzentration im Alpha-Bereich (7-14 Hz).
Bewusstseinsforscher Pahl musste nach eigenen Aussagen lange nach einem geeigneten Tonstudio suchen, in dem er jenes räumliche Klangerlebnis erzeugen konnte, das die menschlichen Hirnwellen wie bei einem Radio auf die feinsten Schwingungen einstellt. „Ich will“, sagt der Musik-Schamane, „Technik und Spiritualität zusammenbringen“. Beim Hören verbinden sich die linke – analysierende – und die beim modernen Menschen weniger trainierte rechte – bildhaft-emotionale – Gehirnhäfte miteinander.
Erst wenn Verstand und Gefühl in Harmonie sind, ist die erste Stufe erreicht, von der aus das Raumklangverfahren gezündet werden kann. Erst jetzt öffnet sich der Tunnel, der einen in andere Bewusstseinsebenen führt – dann kann der Dialog mit einer anderen Realität beginnen. Der Hörer tunt sich über seine von der HoloSync-3D-Musik verfeinerte psychische Frequenz auf bis vor kurzem für nicht möglich gehaltene Dimensionen ein.
Die Reisen dorthin sind nur möglich, wenn der Suchende in seinem Inneren bewusst Bilder, Gefühle und Gedanken aufbauen kann: „Durch diese Visionen wird eine individuelle Schwingungsfrequenz aufgebaut, die es erst ermöglicht, mit der geistigen Welt in einen Dialog zu treten. Nur so kommen wir auf deren Wellenlänge“.
Eine große Herausforderung für den Alltagsmenschen: Statt sich wie üblich von äußeren Bildreizen wie Fernsehen berieseln zu lassen und damit in einer stumpfen Energie zu verharren, heißt es für den nach geistiger Weiterentwicklung Dürstenden, seine Fantasie in Fluss zu bringen und selbst Bilder zu kreieren.
Durch die Visualisierung einer Landschaft entsteht, initiiert und unterstützt von einer unmittelbar sinnlich erfahrenen künstlichen Klangwelt, ein Film vor dem inneren Auge, der sich schnell verselbständigt – bald schon kann man sich als eigenständig handelnden Akteur in diesem Heimmovie bewundern. Alles geschieht von allein. Es gilt: Loslassen, sich hingeben und Film ab!
Wer wünscht sich das nicht: Abenteuer erleben wie Indiana Jones und dabei zuhause im warmen zu Bett liegen. Vor allem Wissenschaftler und medial Interessierte nutzen inzwischen die HoloSync-3D-Technik, um kreative Kicks oder Lösungen für wissenschaftliche Fragen zu erhalten.
Wie die Malerin Gabrielle Schab aus Bad Reichenhall schwören inzwischen auch Künstler auf die musikalischen Reisen in eine andere Raumzeit. Seit Schab ihre dabei erlebten visuellen Sinneseindrücke auf die Leinwand bringt, klingelt bei ihr die Kasse. Ihre Traumbilder aus anderen Dimensionen verkaufen sich bestens. „Die Kreativität“, schwärmt sie, „steigert sich bei diesen Ausflügen unglaublich. Wenn ich aus dem Körper draußen bin, kann ich die irrsten Erfahrungen machen“. Und sie folgerte aus dem Erlebten: „Der Mensch ist für mich eindeutig mehr als eine biologische Denkmaschine“.
Viele nutzen die neue Technik, um Kreativität und zukunftsorientiertes Denken zu trainieren sowie neue Welten zu erobern. „Doch die meisten“, erzählt Pahl, „wollen sich einfach tief entspannen, streben eine größere Klarheit im Denken und Fühlen an, wollen leichter mit Stressituationen fertig werden und wollen den Alltag ruhiger angehen. Intuitiv erkennen viele ganz neue Wege zu ihren Lebenszielen.“
Inzwischen habe ich herausgefunden, dass die Mohnfelder, die exotischen Vögel und tropischen Wälder auf meinen visuellen Reisen immer bunter werden. Und mein Körper gewöhnt sich langsam daran, dass ich ihn hin und wieder verlasse. Er weiß, dass ich wieder zurückkomme.
Und wenn ich wieder einmal genug von der Mühsal des Alltags habe, mache ich mit meiner magischen Lichtkugel einen Abstecher in andere Dimensionen.