Scratchbook

Das Leben ist immer anders als die Realität.

Post post-privacy

Claude, 1. Februar 2015, 17:38 Uhr

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Oder: Warum ich die Spackeria für einen Holzweg halte
Raubmordkopiert aus der Datenschleuder

Irgendwann, vor vielen Jahren, saß ich in einer Vollmondnacht mit meinem Geliebten bei einer Tüte Heilkräuter, und er sagte: „Hach“, und: „Wäre es nicht schön, wenn wir in einer Gesellschaft leben könnten, in der niemand mehr Geheimnisse zu haben bräuchte, in der sich niemand mehr seiner Vorlieben schämen, sich für sie rechtfertigen oder sie verteidigen müßte? Ich will so frei, so stark sein, mit erhobenem Kopf in der Öffentlichkeit zu stehen und zu sagen, daß ich schwul bin, daß ich Drogen konsumiere, daß ich Geliebte neben meiner Ehefrau habe, daß ich mich gerne im Bett fesseln lasse, daß ich mir für Geld einen habe blasen lassen, daß ich gestern so viel gesoffen habe, daß ich einen Blackout hatte… Ich möchte in einer Welt leben, in der niemand mehr aus Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung solche Geheimnisse haben muß.“

Ja, das fand ich eine schöne Utopie, und das wurde unsere Lebenseinstellung: Wir schämen uns einfach nicht mehr der Dinge, von denen wir glauben, man bräuchte sich ihrer nicht zu schämen. Wer uns deswegen nicht mag, der soll sich halt andere Freunde suchen. Wir wollen uns nicht verstellen, uns nicht verbiegen oder verstecken, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Dies ist für mich der ideologisch nachvollziehbare Aspekt der Post-Privacy-Bewegung, die mit Stolz den Namen „Spackeria“ trägt – der einzige, denn noch leben wir selbstverständlich nicht in einer Gesellschaft, in der das uneingeschränkt möglich wäre. Der Weg dahin ist offenbar strittig. Inwieweit jeder Einzelne dem genannten Lebensentwurf erfolgreich folgen kann, hängt ganz von seiner Sozialisation, seinem Schamgefühl, seinen individuellen Geheimnissen und deren Verhältnis zu dem ab, was seine Umgebung als „gesellschaftliche Norm“ betrachtet. Bin ich schwul und bin ich unabhängig von Menschen, die mit dem Schwulsein ein Problem haben, ist es leicht, mich zu outen. Lebe ich aber in einer Gemeinschaft, in der ich damit rechnen muß, im Falle meines Outings gemobbt oder gekündigt, verprügelt oder entmündigt zu werden, ist der Schritt ungleich schwerer. Meines Erachtens muß jeder für sich selbst individuell entscheiden dürfen, ob und wann er diesen Schritt gehen will; ein Zwangsouting von Privatpersonen in Privatangelegenheiten darf es nicht geben.

Wir müssen bedenken, daß derjenige, der nicht ins Bild von Recht und Ordnung paßt, in unserer Gesellschaft durchaus noch gemobbt, gekündigt, verprügelt oder entmündigt wird. Was legitim und damit legal sein sollte, ist ebenso strittig wie die Frage, was „privat“ und was „öffentlich“ ist. Wenn Dein Geheimnis ist, daß Du schwul bist, dann hast du heutzutage vielleicht kein so großes Problem mehr mit einem Outing wie vor dreißig Jahren, weil es inzwischen genügend Menschen gibt, die das Schwulsein offen unterstützen, und weil es nicht mehr illegal ist. Aber was ist beispielsweise, wenn du pädophil bist? Wie groß ist die gesellschaftliche Ablehnung selbst gegenüber jenen, die sich nie an einem Kind vergriffen haben oder vergreifen werden! Wie oft werden deine „kleinen Geheimnisse“, Deine Verstöße gegen die Norm (z. B. Affären, Drogen, Puffbesuche, illegale Downloads) von Deinen Feinden noch gegen Dich verwendet, wenn es eigentlich um andere Dinge geht, wie etwa das Sorgerecht für Deine Kinder, Deine Tauglichkeit für ein Amt oder die Qualität Deiner Arbeit; Dinge also, die damit nichts zu tun haben?

Sicherlich, jeder hat seine kleinen Geheimnisse. Man könnte meinen, wenn die Gesellschaft das auch endlich sähe, würde sie schon akzeptieren, was man bisher verheimlichen mußte. Sie würde sehen, daß wir alle an irgendeinem Punkt gegen irgendeine Norm verstoßen, weil sich die Norm eben nicht nach unserer individuellen Persönlichkeit richtet. Dann, so geht die Utopie weiter, könnte mir niemand mehr meinen heimlichen Drogenkonsum vorwerfen, der selbst eine heimliche Geliebte hat… Denkt man, aber so funktioniert es in der Realität nicht. Eine gleichzeitige Offenlegung aller Geheimnisse wird es nicht geben; das ist technisch und logistisch unmöglich. Jede Offenlegung geschieht sukzessive und ebenso jede Anpassung der Norm. Das heißt aber, daß, solange noch niemand von meiner heimlichen Geliebten weiß, ich sehr wohl jemandem seinen Drogenkonsum vorwerfen kann. Schlimmer noch, das könnte ich selbst dann, wenn meine Affäre bekannt wäre – falls ich Drogenkonsum für sehr viel schlimmer halte als Affären und irgendeine mir gewogene Mehrheit das auch so sieht. Wie schwer ein bestimmles Geheimnis wiegt oder wie weit es von der Norm abweicht, ist aber selbst Gegenstand der Debatte – und somit ebenfalls in Frage zu stellen. Die Norm ist das, was bei der breiten Mehrheit konsensfähig ist, wenn wir als Gesamtgesellschaft darüber diskutieren, was ethisch korrekt ist und was nicht, was legal sein sollte und was nicht und wie hart wir dieses oder jenes Vergehen bestrafen wollen. Daß sich die Mehrheitsverhältnisse in dieser Debatte durch Outings und Tabubrüche in ständiger Bewegung befinden, ist die Grundlage für gesellschaftlichen Wandel.

Wir brauchen unsere Privatsphäre, um die Grenzen unserer gesellschaftlichen Werte für uns selbst zu reflektieren, für uns in Frage zu stellen und gegebenenfalls unseren Dissens mit der gesellschaftlichen Norm (oder sogar der Gesetzgebung) festzustellen. Unsere Privatheit ist ein Schutzraum, in dem wir von gesellschaftlichen Normen und Vorurteilen befreit existieren und uns individuell entfalten können. In ihm können wir neue Ansätze und Ideen von Identität, zwischenmenschlichem Umgang etc. entwickeln. Ist kein solcher Schutzraum vorhanden, weil jede unserer unausgegorenen, privaten Ideen sofort öffentlich wird, ist eine gesellschaftliche Weiterentwicklung durch bewußten Tabubruch, durch Ausbruch aus der Norm, durch das Infragestellen von Gesetzen nicht mehr möglich. Jede neue Idee beginnt als zartes Pflänzchen und würde von den Fürsprechern der Mehrheitsmeinung sofort erstickt, bevor sie Verbündete finden kann, um gegen die Norm zu rebellieren. Frauen hätten nie Hosen getragen, Homosexuelle hätten nie demonstriert, Urheber hätten nie das Recht auf angemessene Entlohnung bekommen etc. Ein Schutzraum des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft ist meines Erachtens notwendig, damit neue Ideen aufkeimen können, damit die ständige Neubewertung gesellschaftlicher Normen und Normverstöße nicht aufhört, damit die Gesellschaft sich wandeln, sich zivilisieren kann.

Selbstverständlich brauchen wir für den zivilisatorischen Prozess Vorreiter: Menschen, die sich outen und es ohne Angst und Scham tun, die ihre Werte verkünden und ihre Rechte einfordern, damit wir uns an ihnen orientieren, uns mit ihnen solidarisieren und ebenfalls stolz darauf sein können, daß wir sind, wie wir sind. Aber dazu brauchen wir ebenso Mechanismen, die uns vor dem Verlust der Privatsphäre und einem Zwangsouting schützen. Denn jeder muß nach wie vor selbst bestimmen können, gegenüber wem er sich in welchem Umfang offenbart und outet. Nur er selbst kann entscheiden, ob er bereit ist, für seinen Tabubruch das Risiko von Mobbing, Gewalt, Entmündigung, Kündigung oder sogar Gefangenschaft einzugehen. Nur er selbst kann entscheiden, gegenüber wem er bereit ist, dieses Risiko einzugehen. Daher brauchen wir Gesetze, die den Mißbrauch von Daten, das Ausplaudern oder Verwenden von Geheimnissen zum Nachteil des Anderen oder zum eigenen (zum Beispiel wirtschaftlichen) Vorteil unter Strafe stellen. Das meint Datenschutz. Wir brauchen Datenschutz, um einen gesellschaftlichen Konsens über ethische Fragen überhaupt aushandeln zu können, um Menschen den Nährboden und den Mut für ihr Outing zu geben.

Wenn nun die Spackeria meint, wir könnten uns in einer digitalisierten Gesellschaft sowieso nicht davor schützen, daß unsere Geheimnisse ausgeplaudert würden, weil kein Computersystem sicher genug sei, um unsere Daten zu schützen, dann hat sie ohne Frage einen wahren Punkt getroffen, der dringend mal ins gesellschaftliche Bewußtsein rücken sollte. Dies bedeutet jedoch nicht im Umkehrschluß, daß es unnötig wäre, ein solches Vergehen zu sanktionieren. Wir sanktionieren ja auch Diebstahl, obwohl wir Diebstahl nicht verhindern können, weil kein Tresor der Welt absolute Sicherheit bringt. Wir müssen sicherlich diskutieren, in welcher Form wir sanktionieren und was genau, aber daß wir Datenschutz (also Sanktionen gegen Datenmißbrauch) auf der einen Seite und Aufklärung der Bevölkerung über Computersicherheit und technische Möglichkeiten der Datenverarbeitung auf der anderen Seite brauchen, steht meines Erachtens außer Frage. Alles andere liefe darauf hinaus, Zwangsoutings für ethisch korrekt zu erklären, sich zurückzulehnen und zu sagen: „Es ist doch Deine Schuld, daß du jetzt Deinen Job los bist. Was hast Du auch $Person erzählt, dass Du schwul bist? Ist doch klar, daß sich das verbreitet wie ein Lauffeuer und irgendwann auch bei Deinem heimlich homophoben Chef ankommt. Das hast Du jetzt davon, daß Du Dich $Person anvertraut hast; hättest Du Dein Geheimnis mal lieber für Dich behalten!“ Und das ist das genaue Gegenteil der anfänglichen Utopie.

Daher verstehe ich die Position der Post-Privacy- Bewegung, die sich Spackeria nennt, bis heute nicht. Vermutlich handelt es sich, im Gegensatz zu dem, was der Gruppenname suggeriert, in Wirklichkeit um eine Ansammlung von Menschen mit sehr heterogenen Positionen, in der Träumer, die sich eine bessere Gesellschaft wünschen, neben ignoranten Facebook-Fanboys und knallharten Wirtschaftern versammelt sind, [i] Ich könnte mit den Träumern mitgehen, da auch ich es schön fände, in einer Gesellschaft zu leben, in der ich mich für meine privaten Vorlieben nicht schämen muß. Ich fazialpalmiere aber angesichts der Fanboys, die nicht über die Gefahren nachdenken, die ein unvorsichtiger Umgang mit privaten Daten mit sich bringen kann, und ich warne vor den Kapitalisten, die diese Bewegung für ihre Zwecke instrumentalisieren. Denn diese Unternehmer haben ein wirtschaftliches Interesse daran, die Gesellschaft glauben zu machen, daß es nicht sanktionswürdig ist, private Daten gewinnbringend auszuwerten oder zu verscherbeln. Genau dieses Bild erzeugt aber die Post-Privacy-Bewegung: daß Privatheit passé ist und daß das Bedürfnis nach Schutz der Privatsphäre out ist, weil jede private Information, die wir (gegenüber wem auch immer) preisgegeben haben, automatisch zu einer öffentlichen Information würde, die beliebig verscherbelt werden kann. Und das ist falsch! Nicht jede Privatangelegenheit, über die ich öffentlich spreche, wird automatisch zu einer öffentlichen Angelegenheit. Ob ich Geliebte habe oder in den Puff gehe, ist und bleibt meine Privatangelegenheit, egal ob ich öffentlich darüber spreche oder nicht. Und wem nicht klar ist, daß er mit einer privaten Offenbarung gegenüber seiner Freundin auf Facebook eine andere Öffentlichkeit erreicht als mit einer privaten Offenbarung gegenüber seiner Freundin auf dem heimischen Sofa, der muß dringend darüber aufgeklärt werden. Das ist einfach nicht allen klar, wie auch?

Ich sehe deshalb keinen Sinn darin, daß sich eine Bewegung in expliziter Abgrenzung zum „Datenschutz“ organisiert, beziehungsweise darin, daß aktiv gegen die Werte des Datenschutzes, nämlich Sensibilisierung im Umgang mit privaten Daten und Sanktionierung von Datenmißbrauch, mobilisiert wird. Wer Interesse haben könnte an einer Aufspaltung in Datenschützer einerseits und Post-Privacy-Spackos andererseits, ist mir schleierhaft, wenn man von den wirtschaftlichen Gründen bestimmter Unternehmen absieht. Der Traum von einer besseren Gesellschaft ohne Schamgefühle scheint mir in keinerlei Widerspruch zu den Werten des Datenschutzes zu stehen, im Gegenteil. Um mich dafür entscheiden zu können, das Risiko von Gewalt, Mobbing, Inhaftierung, Entmündigung und Kündigung durch mein Outing einzugehen, muß ich das Risiko abschätzen können. Und um das Risiko abschätzen zu können, muß ich sensibel für die Interessen und Möglichkeiten derjenigen sein, die ich über mein Geheimnis informiert habe, und ich muß über eine Handhabe verfügen, die es mir gegebenenfalls erlaubt, diejenigen zu bestrafen, die mein Vertrauen mißbrauchen und meine Geheimnisse zu ihrem Vorteil oder meinem Nachteil ausplaudern. Nur das erlaubt es mir, Schild und Rüstung abzulegen, meinen Mitwölfen barbäuchig gegenüberzutreten und meinen Traum von einer besseren Gesellschaft ohne Schamgefühle durch mein eigenes mutiges Outing schrittweise zu verwirklichen.

Ich kann in der Spackeria nichts anderes als einen Holzweg sehen. Keines ihrer ehrenwerten Ziele steht im Widerspruch zum Datenschutz, weshalb es mir unsinnig erscheint, hier durch Namensgebung einen künstlichen Antagonismus aufzubauen. Die weniger ehrenwerten Ziele der Spackeria, wie Desensibilisierung für den Umgang mit privaten Daten, Verschleierung des Wirtschaftswerts von Privatheit und Datenerfassung, die Verwässerung der Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit oder sogar die Behauptung, alles höre im Moment seiner Veröffentlichung auf, privat zu sein, haben in mir sowieso keinen Fürsprecher.

[i] Facebook ist nur ein Beispiel, das symbolisch für alle Unternehmen steht, die Wirtschaftsgewinne aus der Verarbeitung privater Daten erzielen.

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